Afrikas Ernährungspolitik: Eine kritische Analyse der Vergangenheit und Wege zu einer gesicherten Zukunft
Erik Simon, versierter Fachmann im Banken- und Wirtschaftssektor mit globaler Erfahrung, beleuchtet die komplexen Zusammenhänge der Ernährungspolitik in Afrika und deren Einfluss auf die Staatsbildung. Nach seiner Ausbildung als Versicherungskaufmann und einem berufsbegleitenden Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule St. Gallen spezialisierte sich Simon bei Bear Stearns in London auf Akkreditierung und alternative Finanzierungen. Heute ist er als CEO von Enhanced Finance Solutions Ltd. tätig und setzt sich für unabhängige, qualifizierte Beratung von Ländern und Institutionen ein, um nachhaltige Verbesserungen für Menschen durch die Neuausrichtung von Finanzstrukturen zu erzielen.
Historische Fehler und ihre Auswirkungen – Koloniale Misswirtschaft und ihre Folgen
Die Geschichte der Ernährungspolitik in Afrika ist eng mit den kolonialen Eroberungen und den daraus resultierenden Misswirtschaften verbunden. Während der Kolonialzeit nutzten die europäischen Mächte die landwirtschaftlichen Ressourcen Afrikas zur Maximierung ihrer eigenen Gewinne. Im Senegal und Uganda beispielsweise wurde der Anbau von Nutzpflanzen wie Erdnüssen und Baumwolle gefördert, um die kolonialen Kassen zu füllen. Diese Praxis führte zu einer Vernachlässigung der Subsistenzlandwirtschaft, wodurch die Ernährungssicherheit der einheimischen Bevölkerung gefährdet wurde.
Die Einführung von Cash Crops war ein entscheidender Fehler, der langfristige negative Auswirkungen hatte. Die Konzentration auf den Export dieser Produkte bedeutete, dass weniger landwirtschaftliche Ressourcen für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung standen, die für die lokale Bevölkerung notwendig waren. Dies führte zu einer Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten, die in Krisenzeiten, wie während der Dürreperioden in den 1970er- und 1980er-Jahren, verheerende Auswirkungen hatte.
Politische Ignoranz und internationale Untätigkeit
Die Ernährungssicherheit in Afrika wurde historisch gesehen von den internationalen Gemeinschaften und den eigenen Regierungen oft ignoriert. Wissenschaftliche Artikel, wie zuletzt von Klaus Schlichte, Universität Bremen, weisen darauf hin, dass Afrika mit 675 Millionen Menschen, die unter Ernährungsunsicherheit leiden, bis 2030 den höchsten Anteil an unterernährten Bevölkerungen weltweit haben könnte (FAO et al. 2020). Trotz dieser alarmierenden Zahlen blieb die Ernährungssicherheit oft am Rande der internationalen Agenda.
Die internationale Gemeinschaft und selbst die Disziplin der Internationalen Beziehungen haben sich weitgehend der Thematik der Ernährungssicherheit in Afrika entzogen (Jachertz und Nützenadel 2011). Nahrungsmittelunruhen in urbanen Zentren wie 2008 und 2011-2012 in bestimmten Ländern haben kaum zu einer nachhaltigen Politisierung der Ernährungssicherheit geführt. Diese Vernachlässigung hat die Problematik nur verschärft.
Ernährungs- und Staatsbildung: Eine vernachlässigte Perspektive
Der Einfluss der Ernährungspolitik auf die Staatsbildung
Die Diskussion über die Rolle der Ernährungspolitik bei der Staatsbildung in Afrika ist bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Die Sicherheitspolitik für die Nahrungsmittelversorgung spielte eine übersehene, aber immens wichtige Rolle bei der Formung der afrikanischen Staaten. Wissenschaftler wie Elias (1975) und Tilly (1975) haben wiederholt die Rolle materieller Ressourcen bei Staatsbildungsprozessen betont, aber die Auswirkungen der Ernährungspolitik auf die Staatsdynamik wurden seltsamerweise übersehen.
Ein historisch-soziologischer Ansatz zeigt, dass die Nahrungsmittelproduktion, -verteilung und -konsum in Ernährungssystemen und -regimen Teil einer globalisierten politischen Ökonomie sind (Bernstein 2016; McMichael 2009). Diese Perspektive ermöglicht es, die Rolle der Ernährungspolitik bei der Staatsbildung aus einer breiteren internationalen Perspektive zu betrachten.
Fallstudien: Senegal und Uganda
Ein Vergleich zwischen Senegal und Uganda verdeutlicht, wie Ernährungspolitik und Staatsbildung zusammenhängen. In beiden Ländern beeinflusste die frühkoloniale Ernährungspolitik die soziale und wirtschaftliche Struktur erheblich. Die Einführung von Cash Crops und die Vernachlässigung der Subsistenzlandwirtschaft führten zu einer tiefen Abhängigkeit von externen Nahrungsmittelimporten und einer Anfälligkeit für Ernährungskrisen.
In Senegal wurde die Erdnussproduktion von der Kolonialregierung gefördert, was zur Vernachlässigung der Subsistenzlandwirtschaft führte. Im Protektorat Uganda wurde die Baumwollproduktion zur Finanzierung des Kolonialstaates forciert, was ebenfalls zu Ernährungsunsicherheit führte. Diese Politiken brachten den Staat auf das Land und schufen langfristige strukturelle Herausforderungen für die Ernährungssicherheit.
Der Weg zur Ernährungssouveränität
Integration von Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität
Während das Konzept der Ernährungssicherheit physische, soziale und wirtschaftliche Zugänglichkeit zu ausreichender, sicherer und nahrhafter Nahrung betont (IFPRI 2020), geht das Konzept der Ernährungssouveränität weiter. Es betont die Kontrolle der Gemeinden über die Art und Weise, wie Lebensmittel produziert, gehandelt und konsumiert werden. Dieses Konzept wurde als Alternative zur neoliberalen Politik vorgestellt und stammt aus der internationalen Bewegung La Via Campesina (Laforge, Anderson und McLachlan 2017).
Für eine gerechte und gesicherte Zukunft muss Afrika die Konzepte der Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität integrieren. Es ist wichtig, dass politische Maßnahmen sowohl die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln als auch die Kontrolle der Gemeinschaften über die Lebensmittelproduktion fördern. Dies erfordert eine Abkehr von der rein marktorientierten Landwirtschaft hin zu einer Unterstützung lokaler landwirtschaftlicher Praktiken und einer Stärkung der ländlichen Gemeinden.
Neuausrichtung der Finanzstrukturen
Um nachhaltige Verbesserungen in der Ernährungssicherheit zu erzielen, muss Afrika seine Finanzstrukturen neu ausrichten. Dies beinhaltet die Förderung von Investitionen in die lokale Landwirtschaft, die Unterstützung kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe und die Schaffung von Anreizen für nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken. Finanzinstitutionen und Regierungen müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Ressourcen effektiv und gerecht verteilt werden.
Die Rolle internationaler Organisationen und multilateraler Hilfe muss kritisch hinterfragt und neu gestaltet werden. Statt die Abhängigkeit von externen Geldern zu verstärken, sollten diese Mittel genutzt werden, um lokale Kapazitäten zu stärken und nachhaltige landwirtschaftliche Systeme aufzubauen.
Schlussfolgerung: Eine nachhaltige und gerechte Zukunft
Afrikas Weg zu einer gesicherten Ernährungssicherheit erfordert eine kritische Reflexion der Vergangenheit und mutige Schritte in die Zukunft. Die Fehler der kolonialen und postkolonialen Ernährungspolitik müssen anerkannt und korrigiert werden. Durch die Integration von Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität, die Neuausrichtung der Finanzstrukturen und die Stärkung lokaler Kapazitäten kann Afrika eine gerechte und gesicherte Zukunft schaffen.
Die Ernährungspolitik muss als zentrales Element der Staatsbildung betrachtet werden. Nur durch eine umfassende und integrative Herangehensweise kann Afrika die Herausforderungen der Ernährungsunsicherheit überwinden und das Ziel des SDG 2 – den Hunger zu beenden und Ernährungssicherheit zu erreichen – verwirklichen.
Verfasser: Erik Simon, CEO – Managing Director, Enhanced Consulting Solutions Ltd.
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