Bundestag beschließt Einführung elektronischer Patientenakte – Psychotherapeuten befürchten Vertrauensverlust
Psychotherapeuten befürchten Vertrauensbruch durch die Pflicht, Daten aus Psychotherapien allen anderen Behandlern europaweit zugänglich zu machen.
Bonn, 14.12.2023 – Heute hat der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf “zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens” (Digital-Gesetz – DigiG) angenommen. Das Digitalgesetz sieht vor, dass Anfang 2025 die elektronische Patientenakte mit Opt-out (Widerspruchsmöglichkeit der Patienten) für alle gesetzlich Versicherten verbindlich eingerichtet wird. Darüber hinaus wurde ein Gesetzentwurf “zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten” (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) verabschiedet.
Der Vorsitzende des Deutschen Psychotherapeuten Netzwerkes (DPNW) Dieter Adler: “Wenn wir gegen diese Pflicht, unsere Gesundheitsdaten digital allen möglichen Kreisen zur Verfügung zu stellen, nichts unternehmen, können wir uns von der Vertraulichkeit in der Psychotherapie verabschieden.”
Adler weiter: “Wir haben dann keine Kontrolle mehr darüber, wer alles unsere höchst vertraulichen Daten mitlesen kann. Alle anderen Behandler, also auch der Augenarzt, der Zahnarzt, sogar der Apotheker, können diese extrem sensiblen Informationen einsehen. Wir kämpfen weiter für unseren Standpunkt: Inhalte aus einer Psychotherapie gehören nicht in eine elektronische Patientenakte!”
Dazu kommen aus DPNW-Sicht weitere EU-Beschlüsse, die den Schutz der persönlichen Daten und das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung zunichtemachen. Gestern beschloss das EU-Parlament die Schaffung eines “Europäischen Raums für Gesundheitsdaten”. Dieser Raum soll Informationen über sämtliche ärztliche Behandlungen eines Bürgers in einer europaweit vernetzten und fernabrufbaren elektronischen Patientenakte (ePA) zusammenführen. Die Nutzung dieser Daten ist für Ärzte und die Forschung, aber auch für die Gesundheitsindustrie vorgesehen. Die deutsche Version der elektronischen Patientenakte bekommt zwar jeder Versicherte zwangsweise, in Deutschland kann jedoch dagegen widersprochen werden. Ob es für diese Nutzung eine Möglichkeit zum Widerspruch nach deutschem Modell geben soll, ist fraglich. Geplant ist in Brüssel, die elektronische Patientenakte zur Pflicht zu machen – ein Widerspruchsrecht ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Adler: “Das könnte dann ganz schnell zu einer Abschaffung des Widerspruchsrechts in Deutschland führen.” Außerdem können dann auch Ermittlungsbehörden aus EU-Staaten wegen der bereits gültigen sogenannten E-Evidence-Verordnung auf diese Daten zugreifen.
Adler weiterhin: “Zum Jahresende entmündigen uns die emsigen deutschen und europäischen Gesundheitspolitiker vollends und zwingen uns zur Teilnahme an der elektronischen Gesundheitsakte. Leider wurden alle datenschutzrechtlichen Hinweise beiseite gewischt. Unsere persönlichen Behandlungsdaten liegen dann zukünftig auf zentralen Cloud-Servern, die von Hackern beliebig angegriffen werden können. Dieses unverantwortliche Risiko werden wir so nicht hinnehmen.”
Der Verband kündigt an, Rechtsoptionen zu prüfen, um eine Verfassungsbeschwerde (BVG) oder eine Klage am Europäischen Gerichtshof anzustrengen. Darüber hinaus will der Verband eine Informationsoffensive zur deutschlandweiten Aufklärung der Patienten starten.
Über den Verband
Das “Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk – Kollegennetzwerk Psychotherapie” (DPNW) wurde am 02.05.2019 in Bonn gegründet. Es hat über 2.300 Mitglieder und 13.000 Abonnenten seines Freitags-Newsletters. Damit ist der DPNW drittgrößter Berufsverband im Bereich Psychotherapie. Der Vorstand besteht aus: 1. Vorsitzender: Dipl.-Psych. Dieter Adler, 2. Vorsitzende: Dipl.-Psych. Claudia Reimer, Dipl.-Päd. Sevgi Meddur-Gleissner. Mehr unter: www.dpnw.de
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