Fünfte Mini-Spielzeit des Deutschen Theaters im rumänischen Temeswar

Ergreifende Hommage auf der Bühne an das multiethnische Siebenbürgen und Aufruf für ein friedliches Zusammenleben angesichts der heutigen internationalen Lage … (von Dieter Topp)
Gemeinsam mit dem internationalen Theaterfestival im rumänischen Sibiu (Hermannstadt), u.a. auch der Theaterschule und Kulturmanagement-Ausbildung, hat sich das Nationaltheater “Radu Stanca” seit 2007, dem Jahr der Kulturhauptstadt Europas, an die Spitze gesetzt, in Sachen Entwicklung der Kulturlandschaft Siebenbürgens entscheidend beizutragen.
Die Partnerschaft mit der deutschen Gemeinschaft, das Kulturerbe und qualitativ hochwertige Kulturangebote zu fördern, wird entscheidend vom deutschsprachigen Ensemble dieses Theaters getragen. Nicht nur Jung and Alt der deutschen Minderheit nutzen die Angebote, andere Ethnien und vor allem Rumänen füllen regelmäßig das Haus, zumal jede Vorstellung ins Rumänische übertitelt wird.
Zum fünften Mal fand im Frühjahr 2025 die Mini-Spielzeit der Deutschen Abteilung des Nationaltheaters vor zahlreichen internationalen deutschsprachigen Gästen aus Kultur, Politik und Journalismus statt, die allesamt mit begeistertem Echo die Qualität und kulturelle Bedeutung spiegelten.
Der Prozess nach Kafka
Bei seinen szenischen Umsetzungen ausdrücklich klassischer Werke bedient sich der ungarisch stämmige Regisseur Botond Nagy gerne mehrerer Zeiten und Epochen. Seine bizarren Protagonisten agieren in einer breiten Palette akustischer und optischer Stile, wobei Musik ein wesentliches Element seiner bildhaften Produktionen ausmacht.
Dieser Kafka zeigte erstmals einen Nagy, so nahe am Text wie selten, der einen Akkord angeschlagen hatte, den er zuvor noch nicht erkunden konnte. ” … ein Stück mit viel Bewegung, mit viel Körperlichkeit, … eine Show, die sich zu einer Album-Veröffentlichung unserer täglichen Absurdität entwickelte.”
Ein theatralisches Kompositum Mixtum zwischen Kafka’scher Gedankenwelt, der Vorstellungskraft von Nagy und dem schauspielerischen Ausnahmetalent eines Gyan Ros in der Rolle des Josef K. .
Die theatralische Installation “Einfach das Ende der Welt” von Eugen Jebeleanu nach Texten von J.-L. Lagarce bewies erneut das wichtige Engagement der jungen Deutschen Abteilung des Nationaltheaters Sibiu in Sachen Diversität. (Darin besteht in Rumänien starker Aufholbedarf.) Zugleich stellte die Crew ihr schauspielerisches Können – mit einigen exzellenten Darstellern aus dem Sibiu-Ensemble – unter Beweis und setzte sich nonchalant hinweg über alle Widrigkeiten, welche die ungenutzte Halle einer Shopping-Mall in Sachen Akustik mit sich bringt.
Eine “lyrische Tragödie” nannte Federico Garcia Lorca “Die Bluthochzeit”, die auf einem tatsächlichen Vorfall beruht und immer neue Generationen von Regisseuren herausgefordert. Auch Hunor von Horvat hatte sich dieser Herausforderung angenommen und das Stück umgesetzt.
Die Tragödie nahm diesmal im Umfeld einer rumänisch, multiethnisch durchwobenen Hochzeit ihren Lauf. Optisch, musikalisch und im Spiel der Darsteller fehlte so auch keine bäuerliche, manchmal derbe Attitüde. Am besten gelang dem Regisseur die geschickte Einbindung komödiantischer Aspekte in das tragische Spiel, das in einem ausdrucksstarken, meisterlich choreographierten Zweikampf seinen Höhepunkt fand.
Hier endlich konnte auch der sonst eher eindimensionale Darsteller des Bräutigams, Richard Hladik, neben dem starken Gyan Ros als Leonardo glänzen. Olga Török als Braut überzeugte durchgängig und Johanna Adam als Mutter verhalf ihr klassisches geprägtes Spiel zum Publikumserfolg.
Wie der Abspann beim Film lief ein Fließtext über den Bühnenhintergrund: Egal ob du Rumänisch, Ungarisch oder Deutsch bist, wir sind “Made in Romania”. Egal ob du Moldauisch, Siebenbürgisch oder Oltenisch bist, wir sind “Made in Romania.”
Dieser “Garcia Lorca made by Horvath” lieferte eine ergreifende Hommage an das multiethnische
Siebenbürgen und einen Aufruf für ein friedliches Zusammenleben.
Danke! Das brauchen wir auf der Bühne und im Leben angesichts der heutigen internationalen Lage.
Ein theatralischer Pas-de-deux “Steine in den Taschen” von Marie Jones bildete den glanzvoll effektvollen Abschluss der Mini-Spielzeit.
In dieser Version wurde ein siebenbürgisches Dorf von einem Filmteam heimgesucht, das ein großes Hollywood-Epos drehte. Wir lernten Jake und Charlie kennen, zwei Einheimische, die als Komparsen für den Film eingestellt drei Wochen lang für 40 Euro pro Tag die Welt des Films entdeckten.
“Steine in den Taschen” zeigte die Entstehung eines Films, verwob die 15 Rollen des Sets gespielt von zwei Schauspielern, die in einer Zehntelsekunde von einer Rolle zur anderen wechselten, unterstützt und rhythmisiert am Zymbal von Romulus Cipariu. Wir entdeckten die Geheimnisse des Kinos und vor allem wie zwei Statisten die eigentlichen Hauptrollen zelebrierten.
Daniel Plier hatte dieses rasante Stück in Szene gesetzt und spielte zugleich eine/n der Protagonist/innen. Ali Deak begeisterte mit seinem netten rumänischen Akzent und einer deutschen Sprach- und Ausdruckstechnik, die eine profunde Sprachkenntnis durchblicken ließ. Dies war mir bislang bei dem zumeist im rumänischen Theater spielenden Akteur neu und begeisterte.
Die im Mini-Show-Case betonte Zusammenarbeit mit dem deutschen Staatstheater Temeswar (Timi?oara) war und ist gut, richtig und angesichts der politischen (und auch kommerziellen) Situation wichtig.
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