WIRTSCHAFT

Generationenkonflikt um das Homeoffice

Anwesenheit oder Leistung in der hybriden Arbeitswelt

Die Diskussion um das Homeoffice als idealen Arbeitsort spaltet die Generationen. Während viele ältere Mitarbeitende – insbesondere Führungskräfte – auf die Präsenz im Büro setzen, sehen jüngere Mitarbeitende darin mittlerweile keinen Mehrwert mehr. Gerade die Generation Z habe während der Corona-Pandemie gelernt, dass Arbeiten auch im Homeoffice funktioniert, betont der Generationenexperte Ralf Overbeck. Dennoch wollen viele Unternehmen schon seit einiger Zeit wieder weg vom Homeoffice und hin zu mehr Präsenz im Büro. Doch seit der Pandemie ist der Generationenkonflikt um die Frage, ob Präsenz im Büro tatsächlich Leistung bedeutet, voll entbrannt. Auch weil große Teile der älteren wie der jüngeren Belegschaften die Chancen einer hybriden Arbeitswelt in der Praxis erlebt und auch genossen haben.

Aktuelle Studien zeigen eine Tendenz, dass die Produktivität im Homeoffice nicht unbedingt leidet. So glaubt, laut einer Studie der DAK, fast jeder Vierte, im Homeoffice produktiver arbeiten zu können als am normalen Arbeitsplatz. Dennoch bestehen viele Führungskräfte der Babyboomer-Generation und der Generation X auf der Präsenz im Büro. Für die Älteren sei das Büro der Ort, an dem die Arbeit stattfinde, so Overbeck. Zudem fürchten viele Führungskräfte einen Kontrollverlust, wenn sie ihre Mitarbeitenden nicht vor Ort sehen können. Diese Sorgen oder Ängste haben laut Overbeck nichts mit einem möglichen Produktivitätsverlust zu tun, sondern mit mangelndem Vertrauen in die Mitarbeitenden.

Dieser Generationenkonflikt stellt die Unternehmen vor Herausforderungen. Einerseits müssen sie die Bedürfnisse älterer Führungskräfte nach Präsenz und Kontrolle berücksichtigen. Andererseits laufen sie Gefahr, junge Fachkräfte und Talente zu verlieren, wenn sie zu starr auf Präsenz im Büro bestehen. In Zeiten des Fachkräftemangels ein Risiko, das sich viele Unternehmen nicht leisten können.

Arbeitsort als Erlebnis- und Lernplattform

Bei allen Vorteilen des Homeoffice: Drei Viertel der Befragten einer DAK-Studie vermissen im Homeoffice den direkten Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen. Gerade der informelle Austausch auf dem Flur oder in den Pausen sei durch nichts zu ersetzen, weiß Overbeck. Gerade für jüngere und neue Teammitglieder ist der Wissenstransfer zwischen Alt und Jung von großer Bedeutung. Zudem fällt es vielen Mitarbeitenden im Homeoffice schwerer, ein Netzwerk aufzubauen und sich im Unternehmen zu positionieren. Auch für die Unternehmenskultur und den Zusammenhalt im Team spielt der gemeinsame Arbeitsort eine wichtige Rolle. Nur durch persönliche Begegnungen und gegenseitigem Austausch im Team können Wertschätzung und Vertrauen nachhaltig entstehen. Deshalb ist es für virtuelle Teams wesentlichh schwieriger, ein Wir-Gefühl zu entwickeln.

Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, Arbeitsmodelle zu entwickeln, die sowohl flexibles Arbeiten als auch regelmäßige persönliche Interaktion ermöglichen. Hybride Modelle, bei denen die Mitarbeitenden teilweise im Büro und teilweise zu Hause arbeiten, könnten eine Lösung sein, betont Overbeck.

Flexibilität als Erfolgsfaktor

Im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte wird die Flexibilität des Arbeitsortes immer mehr zum entscheidenden Faktor. Unternehmen, die in Zukunft wieder verstärkt auf Büropräsenz setzen, werden es schwer haben, qualifizierte Fachkräfte und Nachwuchskräfte zu halten oder zu gewinnen, prognostiziert Overbeck, denn die Flexibilität des Arbeitsortes wird zum Erfolgsfaktor. Flexibilität bedeutet aber nicht automatisch völlige Freiheit in Bezug auf den Arbeitsort. Erfolgreiche Unternehmen finden eine Balance zwischen den unterschiedlichen Flexibilitätsbedürfnissen der Generationen und den betrieblichen Anforderungen an die Zusammenarbeit. So setzen viele Unternehmen inzwischen auf “feste Bürotage”, an denen alle Mitarbeitende vor Ort sind. Das Büro der Zukunft sei weniger ein Ort des individuellen Arbeitens als vielmehr eine Erlebnis- und Lernplattform, erklärt Overbeck. Statt Einzelbüros und langen Fluren entstehen flexible Räume für Projekte, Workshops und informellen Austausch.

Arbeitsort und Arbeitsumfeld neu denken

Die Diskussion um den idealen Arbeitsort wird die Unternehmen noch lange beschäftigen. Klar ist: Es gibt keinen Königsweg oder gar ein Modell für Wirtschaft und Verwaltung. Zu unterschiedlich sind die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen, Branchen und Unternehmenskulturen. Erfolgreiche Unternehmen werden den Arbeitsort künftig differenzierter betrachten, sagt Overbeck. Statt starrer Anwesenheitspflicht oder komplettem Homeoffice setzen sie auf flexible Modelle, die die Vorteile beider Welten vereinen. Sie verstehen, dass nicht die Anwesenheit, sondern die Leistung der Mitarbeitenden zählt – unabhängig davon, wo sie erbracht wird. Gleichzeitig erkennen sie die Bedeutung der persönlichen Interaktion für Innovation, Wissenstransfer und Unternehmenskultur. Sie schaffen Räume und Anlässe für den persönlichen Austausch und das gemeinsame Erleben. Ohne dies zu erzwingen.

Letztlich gehe es darum, so Overbeck, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich alle Generationen wohlfühlen und ihre Potenziale voll entfalten können. Unternehmen, denen dies gelingt, werden im Wettbewerb um die besten Fachkräfte und Talente die Nase vorn haben – und sind für den Erfolg in der hybriden Arbeitswelt bestens gerüstet.

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